KohlARTE Reiseberichte

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Korsika September 2007 

Reise Impressionen.

Die ersten Tage:
Berge. Wir sind mit zwei Ausrüstungen in acht Kisten unterwegs, das große Auto Nach acht wird es dunkel, die Grillen stimmen sich ein, in der Ferne rauscht das Meer, und der Wind reibt sich in den Baumkronen.
Wir sitzen unter einem 100-Watt-Sternenhimmel und lassen es uns gut gehen. Der große Beleuchter hat selbst die kleinsten Sterne herausgeputzt so das Sie glänzen wie neu.

Luxus Camping mit Hauszelt, Tisch und Stühlen und die leichte Version für die Berge. Wir sind mit zwei Ausrüstungen in acht Kisten unterwegs, das große Auto macht es möglich, und so kämpfen wir täglich mit einem Kraken.
Hast du das Salz gesehen?
Weißt du, wo das Feuerzeug ist?
Kaum ist die Frage gestellt setzt das Ungetüm zum Würgegriff an und dann kämpfen wir uns durch mindestens fünf der acht Kisten und wenn wir dann endlich gefunden haben was wir suchen, hat uns der Krake ein kostbares Stück Zeit aus dem Tag gerissen.

Die Tour

Auf Korsika gibt es viele Wege: Wir entscheiden uns für eine verkürzte Variante des Mare e Monti. In sieben Tagen von Galeria nach Cargese.
Gibt es da nicht den GR 20, den Trans Korsika?

Sicher, aber der ist nur was für Trophäenjäger. Eine der schönsten, schwierigsten, anstrengendsten Trekkingtouren Europas, so kannst du es überall nachlesen. So einen Titel heftet sich der gestandene Wandersmann nur zu gerne an die Trekkingstöcke und so kommen sie zu Hunderten. Auch wir haben es im Juni 2002 versucht. Doch zu viele Jäger sind des Hasen Tod!
Hase?
Ich will keinen falschen Eindruck vermitteln. Der GR20 ist ein Großwild und du solltest dich vorher eindringlich befragen, ob dein Kaliber für einen solchen Brocken reicht?

Unterwegs:

Auch Mitte September ist der korsische Sommer noch ein ernst zu nehmender Gegner, bis zu vier Liter Wasser machen mir den Rucksack schwer und doch ist auf den langen Touren des Mare e Monti der kleine Durst ein treuer Begleiter. Schon nach einer Stunde, wenn ich die Flasche das erste Mal ansetze, könnte ich sie ohne ab zu setzten leer trinken doch ich denke vorausschauend, zügle mich und das den ganzen Tag.

Von Galeria nach Girolata

Der erste Weg ist gleich eine Schönheit. Mit 6 Stunden und 700 Höhenmeter fordert er dich, ohne dich zu schinden, dafür bietet er dir eine dschungelartige Schlucht mit einem Fluss der Wasser führt, einen steilen Aufstieg durch niedriges Buschland die Macchia, eine Hochebene mir großen Landschaftsausblicken und Steineichen so klassisch gewachsen als kämen sie vom Designer, und dann musst du das, was du hochgegangen bist auch wieder herunter, über Felsen, das Meer vor Augen und unten siehst du auch schon dein Ziel Girolata, die Bucht die Festung und in 2 Stunden bis du da.

In Girolta, eine Bucht, die nur mit dem Schiff oder zu Fuß zu erreichen ist, funktioniert eine moderne Form der Alchemie, die Kunst niedrige Elemente in Gold zu verwandeln.
Alles, was hier auf den Holzstegen angelandet wird, vervielfacht am Strand angekommen seinen Wert. Ist die billige Flasche Wein ausgeschenkt, hat er Wirt das Zehnfache vom dem eingenommen, was er ausgegeben hat.

Von Girolata nach Curzus

Wenn du dann müde und abgekämpft in Curzus ankommst, beklag dich nicht! Du hättest ja auch die Abkürzung nehmen können.
Wir haben uns für die lange Variante des Weges entschieden, entlang eines Bergrückens, von der Küste ins Landesinnere und wieder zurück. Wellenförmig steigen wir auf 850 Meter. Nur das uns diese Wellen nicht tragen.

Vor uns liegen unzählige kleine schattenlose Auf- und Abstiege, teils auf ausgesetzten Wegen. Die versprochen großen Landschaftsaussichten sind von Hitze und Dunst ausgeblichen. Die Wiesen sind verdörrt. Die Quelle, die wir durstig erreichen, tröpfelt nur und so werden aus den vorhergesagten sechseinhalb Wanderstunden acht.
Doch welch ein Glück, unsere Gite d´etape, die wir gerade noch im Hellen erreichen, hat einen ruhigen Zeltplatz, das Essen ist fertig und schmeckt ausgezeichnet und so klingt der Tag versöhnlich aus.

Von Curzus nach Serriera

Die Etappe ist zu kurz um sich nachhaltig ins Gedächtnis zu prägen. In Serriera stehen die Wanderer vor der Gite dètape Schlange. Auf den Wäscheleinen flattern Naht an Naht

schon die Socken und T-Shirts und so etwas wie einen Platz für unser Zelt können wir gar nicht erst entdecken. Also ziehen wir ein paar Kilometer weiter über Asphalt nach Bussaliga, an dieser Bucht, findest du laut Reiseführers einen Campingplatz und munteres Strandleben. Davon ist aber nur die Hälfte war. Der Campingplatz ist aufgegeben, nur noch eine Brache, die gar nicht zum Zelten einläd, rote Schmierereien warnen davor es doch zu wagen und wir nehmen diese Warnung ernst. Für die Schönheit der Bucht habe ich erst einmal keine Augen. Wo werden wir heute Nacht unser Zelt aufschlagen?
Wo bekommen wir Wasser her?
Und plötzlich fällt mir ein, dass wir keine Achtzehn mehr sind. Wir Reisen nicht mit einem Budget am Existenzminimum. Nein, unsere Krisenkasse ist ausreichend mit Bargeld gefüllt, falls sich kein Bankautomat findet. Für 60 Euro bekommen wir ein Doppelzimmer mit Frühstück, noch mal das Gleiche zahlen wir für gute Pizza, Salat und ausreichend Wein. Unser kleines Restaurant, mit großer Terrasse und die Snackbar in der Nachbarschaft, belasten die Bucht nicht mit Beton, sie sind aus Holz. Zum Sonnenuntergang werden Himmel, Wolken, Felsen und Meer in brandrotes Licht getaucht. Der Horizont droht mit einem fotogenen Unwetterszenario ohne es ernst zu meinen. Ein gelungener Abend.

Bussaliga hält was Girolata versprich. Der Charme des Unentdeckten, das Gefühl ganz zufällig die richtige Abfahrt genommen zu haben und das Gefundene nur mit wenigen zu teilen.

Kennst du das Gefühl, vor deinem Zimmer steht eine riesige Schalllupe die alle Geräusche, die in deinem Hotel laut werden, Unterhaltungen, Klospülung, Husten, Kindergeschrei, Stühle rücken, zielgenau auf dein Kopfkissen und in dein Gehör fokussieren? Es dauert, bis ich in dieser Nacht in den Schlaf finde.

Von Serriera nach Ota.

Erst einmal heißt es schwitzend Mare e Monti vom Meer in die Berge zwei Stunden bergauf. Auf dem Capu San Petru, einem Plateau auf 900 m Höhe, angelangt ändert sich die Vegetation. Der Weg führt durch einen uralten Esskastanienwald statt Unterholz wachsen hier Farne. Ein Märchenwald, verwunschen, verzaubert. Nur bei Vollmond zeigen sich die Wesen, die tagsüber im Verborgenen leise raschelnd durch Farndickicht streichen. Zwischen Felsen entspringt eine ergiebige Quelle. Ihr Wasser ist kühl und klar. Wir trinken uns satt.
In Ota gibt es gleich 2 Gite d´etapes, aber keinen Platz zum Zelten. Mein Albtraum mit zehn Schnarchern auf einer Stube erfüllt sich nicht. Wir Schlafen zu viert in einem Achtbettzimmer, für 33€ Halbpension und zum Abendessen gibt es Wachteln.

Von Ota nach Marignana

Am Fluss Porto entlang durch die Spelunca Schlucht. In den Reiseführern wird dieser Weg als einer der Schönsten angepriesen. Ich sage, es gibt Schönere, aber wohl keinen Weg, der häufiger von Menschen markiert wurde. Alle paar Schritte liegt ein nicht mehr ganz so weißes Fähnchen auf dem Boden. Der Gegend täte ein kräftiger Regen gut.
In Geisterdorf Tassu zeigen sich, wie in unserem Wanderführer beschrieben, die verwilderten Schweine und machen sie über die Esskastanien her.
Auf der Gite d´etapes in Marignana sind wir nicht mehr die einzigen Camper. Auf einer Terrasse im Hang stehen mit unserem vier Zelte. Wären es mehr würde

es eng und auch die Matrazenlager sind hier so gut wie ausgebucht.

Auf Korsika brauchst du keinen Wecker. Kaum graut der Morgen heran endet die Nachtruhe. Selbst junge Wanderer, die ihn gar nicht kennen können, werden in ihren Träumen von Luis Trenker heimgesucht, der sie noch vor dem ersten Hahnenschrei mit seinem Lebensmotto "Der Berg ruft" aus dem Schlaf reißt In unseren Träume ist Luis nicht zu Gast, doch wenn um dich herum die Zelte abgebaut werden und in den Herbergen das erste Duschwasser durch die maroden Leitungen gurgelt, wird auch dein Schlaf unruhig. Trotzig gönnen wir

uns dann mindestens noch eine oder zwei Stunden. Wir sind hier im Urlaub und nicht auf der Flucht.

Von Marignana zum Refuge E Case de Revinda

Uns erwartet ein typisch korsischer Weg, durch die Macchia, auf steinigen ausgesetzten Pfaden über Höhenrücken hinab durch bewaldete Schluchten und Täler und dann wieder steil bergauf. Es ist heiß. Der Weg ist lang und anstrengend und wir machen ihn noch ein wenig länger und verlaufen uns. Eine Rotte verwilderter Hausschweine lenkt uns ab. Wir verpassen einen Abzweig. Der Irrtum ist bald bemerkt und wieder auf Kurs nähern wir uns Kilometer um Kilometer der Küste. In der Ferne hüllt sich der Golfe de Sagone in Dunst. Wir sind gut trainiert, und unterwegs versorgen wir uns an einer Quelle mit frischem Trinkwasser.

Es ist ein Langes, Meditatives sich "Laufenlassen" in schöner Landschaft. An der Hütte treffen wir all jene, denen wir heute Morgen zwei Stunden Vorsprung gegeben haben.

Esskastanien, Brombeeren, verwilderte Hausschweine, halbverwilderter Rinder und gut genährte Mistkäfer, so lautet eine korsische Nahrungskette.
Hitze, Felsen und Schuhsohlen eine Andere. Auf den rauen Wegen findest du das ein oder andere vom Schuh

gerissene Profile. Auch Gudruns Sohle schwächelt, aber ihre Schuhe haben das Alter. Das sich bei meinen Schuhen Auflösungserscheinung zeigen ist ärgerlich. Eine Woche Mallorca und zwei Wochen Korsika. Für ein teueres Paar Markenschuh ist das ein sehr kurzer Lebenslauf.

Vom Refuge E Case de Revinda nach Cargese.

Ein steiler ausgesetzter Abstieg weißt darauf hin, das unsere Tour endet. Dann folgen wir einem staubigen Fahrweg, und zum Schluss laufen wir auf Asphalt.
Zeit für ein wenig Wehmut, Zeit sich vom Mare e Monti zu verabschieden. Es war eine schöne Tour. Mittags erreichen wir Cargese, aber der Tag wird noch lang.
Wir wollen hier nicht übernachten sondern machen uns gleich auf den Weg nach Galeria. Busverbindungen Richtung Norden gibt es erst wieder am nächsten Morgen und Hundert Euro für ein Taxi sind uns dann doch zu viel. Unser Tramperglück reicht bis nach Porto.

In Porto findest du eine grandiose Landschaft, die Flussmündung, der Golf, die steile Felsenküste, sind ein Weltkulturerbe, auf dem ein betongrauer Belag des Massentourismus liegt.
Wir stehen Stunden lang an einer Kreuzung unbewegt als hätte uns

die Hitze mit dem Asphalt verschweißt. Ob es Morgen einen Bus nach Galeria gibt, kann uns niemand mit Gewissheit sagen, zumindest nicht auf Englisch. Gegen Abend geben wir es auf. Der Campingplatz ist nur ein paar Schritte entfernt.
Wir müssen feststellen: Wir haben am Morgen unsere Heringe liegen lassen. Zum Glück gibt es in einem nahen Supermarkt billigen Ersatz aus Blech. Ich bin Müde, niedergeschlagen und eine große Portion Nudeln und eine Flasche Wein helfen nur wenig. Ich brauche Schlaf.
Um 21 Uhr setzt die Musik ein. Eine Kneipe im Talkessel hat einen Alleinunterhalter mit Heimorgel angagiert und wir hören mit, als hätten wir Eintritt bezahlt.
Ich kämpfe mit Verzweiflung und Wut, aber schließlich gelingt es mir, mich in meinen linken kleinen Zeh zu flüchten, so Weit weg, dass mich der Lärm nicht mehr erreicht.

An nächsten Tag ist uns das Glück wieder holt: Der Bus hält an einer Kreuzung nahe Galerie.

Wir trampen und gleich der erste Wagen hält an, so bleiben uns 5 Kilometer Straße erspart. Unser Auto hat die Woche unbeschadet auf dem Campingplatz überstanden.

Der Verlust der Heringe hat sich angekündigt. Am Abend auf der Hütte in Revinda haben wir uns über untreue Seelen unterhalten. Ausrüstungsgegenstände, die anderen Besitzern verloren gegangen sind und die du in der Wildnis findest. Zwei Findlinge sind Teile unsere Ausrüstung. Ein Topfgriff, der an einem Fluss in Norwegen lag, und ein Erdnagel aus Aluminium, golden eingefärbt, trat er aus dem Sammelsurium der anderen Heringe hervor. Und ich frage mich immer, ob es klug ist sich auf solche unsteten Gegenstände zu verlassen, denn, was einmal verloren gegangen ist, kann wieder verloren gehen und gerade der Topfgriff ist in der Wildnis ein unverzichtbarer Ausrüstungsgegenstand. Ich wusste auf der Hütte in Revinda ja noch nicht, das der

verlassen, sind wir Teil eine Karawane auf dem Weg in die Tavignanoschlucht. Mindesten 20 Wanderer laufen in Sichtweite vor uns, alle mit großem Übernachtungsgepäck und wir sind nicht das Ende dieses Zuges. Es ist elf Uhr morgens. Wer so spät startet, ist Genussmensch, das Growl der Schlafgestörten ist schon seit Stunden unterwegs und wir wollen jene nicht vergessen, die sich aus der Gegenrichtung auf den Weg gemacht haben. Ich stelle mir das Zusammentreffen all dieser Übernachtungsgäste auf der Hütte vor. Wir brechen die Tour ab.

goldene Hering gleich dem kompletten Satz mit seiner Wanderlust ansteckt.

Die letzten Tage

Während auf den Campingplätzen die Ruhe der Nachsaison einkehrt, herrscht auf den Wegen Hochbetrieb.
Von Corte aus planen wir eine Zwei Tages Tour in die Berge zum Refuge de Sega. Kaum haben wir die Stadt

Der Caoitellosee ist laut Wanderführer der schönste Bergsee Korsikas. Wir haben ihn nicht gesehen. Ausgangspunkt der Wanderung ist der Parkplatz am Refuge de Grottelle, so weit sind wir gekommen, geduldig in einer Autoschlange wartend, bis uns der Einweiser, auf einer großen, planierten Fläche einen Parkplatz zuweißt. Ich muss mehrfach rangieren, bis das Auto so steht, dass keine Handbreit Parkfläche verloren geht. Eine Wegbeschreibung in die Berge ist nicht nötig, Du findest den schönsten Bergsee Korsikas nach dem Prinzip der Ameisenstraße: Folge dem Vordermann, denn der, folgt seinem, und so weiter und du kannst davon ausgehen, dass die Vordersten der Vordermänner und Frauen schon vor Stunden am See angekommen oder vielleicht sogar schon auf dem

Rückweg sind. Die Lücke die wir Reißen, weil wir vor der Zeit umkehren, ist schnell geschlossen. Es ist spät aber noch nicht zu spät. Wir fahren auf der schmalen Straße ein Stück zurück. Den Parkplatz müssen wir uns selbst suchen und dann geht es zu Fuß 1000 Meter höher zum Orientesee. Eine Wasserfläche dem Himmel nah, zwischen weichen, grünen Wiesenmatten und hohen, hartem Fels. Diesen Rastplatz teilen wir uns mit zwei Raben und einer Kuh.

Es ist kalt geworden. Dunkel, schwere Wolken wabern über eine nahe Gebirgswand und drohen uns einzunebeln. Zeit für den Abstieg. Die Raben folgen uns und machen dumpf krächzend auf sich aufmerksam. Wie leicht es ihnen fällt, mit ihrem Gespür für Thermik aufzusteigen

um sich dann im Gleitflug wieder elegant der Erde zu nähern, während uns der Abstieg Schritt um Schritt in die Knochen fährt.

Streiche die Adjektive, entlegen, verlassen und abgeschieden aus deinen Wortschatz. Auf Korsika können die Wege noch, weit, hoch und steinig sein, du bist nicht allein und alle haben sie den großen Rucksack gebuckelt. Hier verdichte sich der Individualtourismus zum Massentourismus. Nur das die Sickergruben auf den Hütten für einen solchen Andrang nicht tief genug sind. Ich frage mich, wann ist hier Nebensaison? Das nächste Mal werden wir es wohl im Mai versuchen.

Rolf Puschnig

2007